Interview: Jana Weber, Projektleiterin der tu! Hambach

Nach der tu! ist vor der tu!. Die tu! Hambach hat sich innerhalb von drei Jahren als Ort für Begegnung, Austausch und Zukunftsdiskussion zum Struktur­wandel im Rheinischen Revier gefestigt. Auch die dritte Ausgabe brachte wieder vielfältige Perspektiven, engagierte Debatten und neue Impulse zusammen. 

Doch was bleibt – und wie geht es weiter? Im Interview zieht Projektverantwortliche Jana Weber Bilanz, erinnert sich an besondere Momente, gibt einen ersten Ausblick auf 2026 – und verrät, worauf sie sich besonders freut.

Liebe Jana, die dritte tu! Hambach liegt hinter uns. Mit ein bisschen Abstand – wie fällt dein persönliches Fazit aus? 

Zunächst einmal bin ich froh, dass es geschafft ist. Dadurch, dass ich erst Mitte März neu in das Projekt, in die NEULAND HAMBACH und generell in die Dynamiken des Struktur­wandels im Rheinischen Revier eingestiegen bin, war es eine herausfordernde Aufgabe, die tu! Hambach 2025 in so kurzer Zeit zu organisieren. Das war mir vorher bewusst und ich habe mich der Herausforderung gerne gestellt. Außerdem war ich ja nicht alleine. Meine Kollegin Johanna Janning – auch neu in all diesen Themen und Strukturen – und ich haben uns direkt an die Arbeit gemacht und auf dem Weg bis zur tu! sehr viel Unterstützung, Zuspruch, aber auch schon erste Wünsche für die Zukunft entgegengebracht bekommen. Gleichzeitig sind wir als Team sowohl an den Herausforderungen als auch an den empowernden Momenten zusammengewachsen. Sobald es mit der Planung losging, haben wir gemerkt, wie engagiert sich unterschiedliche Menschen in die Gestaltung der tu! einbringen. Menschen, die Interesse hatten, das Programm mitzugestalten, erfahrene Partner:innen aus dem Initiativkreis für die tu! Hambach 2025 und unsere Kolleg:innen, die immer kluge Ideen parat hatten. Rückblickend kann ich also sagen: Auch wenn Johanna und ich von Seiten der Neuland Hambach für das Projekt stehen, ist die Weiterentwicklung, Planung und Durchführung des Formats tu! Hambach eine gemeinschaftliche Aufgabe und am Ende auch ein gemeinschaftliches Ergebnis – das spiegelt sich auch in der Atmosphäre vor Ort wider.

Gab es für dich einen ganz besonderen tu! Moment, der dir in Erinnerung bleibt? 

Es gibt viele Momente, an die ich gerne zurückdenke. Ein besonderer Moment für mich war der Dorfspaziergang durch Bürgewald mit Bernd Servos am Freitagnachmittag. Als wir vor dem Haus standen, in dem er selbst und viele Familienmitglieder vor ihm aufgewachsen sind, erzählte er davon, dass er, damals noch Morschenich, nur ungerne verlassen habe und seitdem bewusst nicht mehr in das Haus zurückgegangen ist. Nun will er an der Wiederbelebung von Bürgewald mitwirken. Sein Elternhaus soll zu einem Kulturort mit Ausstellungen, Konzerten oder Vorträgen werden. Das war ein besonderer Moment, weil „das Vergangene“ und „das Neue“ plötzlich aufeinandertrafen und sich sehr symbolisch in dem Haus zeigten, vor dem wir standen. Das hat mich inspiriert und mir noch einmal vergegenwärtigt: So ein Trans­for­ma­tionsprozess ist weder eindeutig noch gradlinig, vielmehr total komplex und erfordert den Perspektiv­wechsel, den wir uns immer wünschen. Es gibt Schmerz, bestimmt auch Wut und Unsicherheit, aber genauso Hoffnung und die Chance für was Neues. 

 

Die tu! wurde auch genutzt, um gemeinsam mit den Teilnehmenden über die Zukunft des Formats nachzudenken. Was waren die spannendsten Impulse? 

Wir haben die Diskussionsrunde genutzt, um in die Reflexion zu gehen. Nicht nur zu der diesjährigen tu! Hambach, sondern auch allgemein. Mir wurden in dieser Runde noch einmal die langfristigen Ziele und Ansprüche an die tu! bewusst. Es wurde häufig angeregt, dass die Zivilgesellschaft, vor allem junge Menschen, noch stärker einbezogen werden sollte. Nicht nur als Besucher:innen der tu! Hambach, sondern auch mit eignen Beiträgen. Was ich bei der tu! beobachtet habe: Ein Teil der organisierten Zivilgesellschaft, also Vereine, Initiativen und Genossenschaften, bringt sich bereits sehr engagiert und interessiert ein. Die Anregung, mehr Zivilgesellschaft zu erreichen, richtet sich daher vor allem an die Bürger:innen vor Ort. Sie könnten die Debatten des Struktur­wandels mit einer alltagsnahen Perspektive bereichern, die den Forschenden und auch uns oft fehlt. Daran anknüpfend gab es viele Fragen an das Format selbst: Ist es vielleicht mehr ein Sommerfest als eine wissenschaftlich geprägte Veranstaltung mit Vorträgen und Workshops? Ich finde, das sind alles spannende und wichtige Impulse für die Zukunft, die es nun gilt, weiter zu diskutieren und zu bearbeiten. 

Welche Erkenntnisse nimmst du mit? 

Für die Arbeit im Projekt nehme ich mit, dass die, wie ich finde, hochgesteckten Ziele und Ansprüche, die an das Format tu! Hambach gestellt werden, im Grunde verdeutlichen, was im Struktur­wandel des Rheinischen Reviers fehlt. Nämlich Angebote, in denen sich die Bürger:innen mit ihren Anliegen einbringen können, Angebote für junge Menschen, Aushandlungsräume, die sich auch Konflikten stellen und Formate, die sowohl Wissen vermitteln und Netzwerke stärken als auch Gemeinschaft und Feiern zulassen können. Eine fertige Antwort darauf, wie eine tu! Hambach aussehen muss, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, habe ich nicht in petto. Aber zusammen mit den Projektpartner:innen werden wir daran arbeiten, jedes Jahr näher an so eine tu! Hambach heranzukommen und das Format dabei gleichzeitig nicht zu überfordern.

 

Wie geht es nun weiter mit der tu!? Gibt es schon konkrete Ideen oder Weichen­stellungen für die kommende Ausgabe? 

Momentan stecken wir noch in der Evaluation der diesjährigen tu! Parallel fließen die Erkenntnisse in die Weiterentwicklung des Formates und in die Planungen für die tu! Hambach 2026 ein. Konkret heißt das zum Beispiel, dass wir für die nächsten Veranstaltungen eine Projektstruktur erarbeiten, die sich langfristig etablieren kann. Also ausgehend von und mit den Partner:innen aus dem aktuellen Initiativkreis auszuloten: Wie organisieren wir uns? Wer kann welche Rolle übernehmen? Wie können wir unser Netzwerk erweitern? Wen sprechen wir wie gezielt an? Die Fäden laufen dann uns zusammen. Ziel ist es zunächst einmal, für die tu! Hambach 2026 einen motivierten Verbund aus Projektpartner:innen aufzubauen, um anschließend über Inhalte nachzudenken. Diese Schritte sind wichtig, da sich durch die Projektförderung einige Verantwortlichkeiten und Rollen neu sortieren. Ich denke, Themen für das Programm gibt es genug.

Die tu! Hambach versteht sich als Ort der Begegnung im Rheinischen Revier. Wie nimmst du die Resonanz von Akteurinnen, Partnern und Gästen wahr? 

Grundsätzlich ist die Resonanz positiv. Ich bekomme häufig gespiegelt, dass die tu! Hambach ein wertvolles und wichtiges Format ist, um eine Plattform für Begegnung und Austausch herzustellen. Das ist übergeordnet ja auch das Ziel, klingt allerdings sehr abstrakt. Eine Plattform für Begegnung und Austausch kann ja erst einmal vieles sein. Mir hilft es dabei, mir vorzustellen, was braucht es, damit unterschiedliche Akteur:innen zusammenkommen, sich vernetzen und sich über aktuelle Themen des Struktur­wandels austauschen. Das sind einerseits, die inhaltlichen Inputs in Workshops, Vorträgen oder Exkursionen, andererseits die Gespräche abseits der Programmpunkte. Wir versuchen, einen Rahmen zu schaffen, in dem der Austausch und das Vernetzen leichtfällt. Schön wäre es, wenn neue Allianzen entstehen, die über die tu! Hambach hinaus zusammenarbeiten und sich aktiv in die Themen und Aufgaben des Struktur­wandels einbringen. Natürlich nehmen wir auch konstruktive Kritik mit und überlegen mit den Projektpartner:innen, wie wir das Format langfristig entwickeln und zu einem Ort der Begegnung für alle machen können.  

Was wünschst du dir persönlich für die tu! Hambach 2026 – inhaltlich, atmosphärisch oder ganz grundsätzlich? 

Ich würde mir wünschen, dass wir Angebote und Strukturen entwickeln, die ganz unterschiedliche Menschen und Akteure des Struktur­wandels zusammenbringen. Aktuell sehe ich schon eine Lücke zwischen dem Anspruch, eine Veranstaltung zu machen, bei der sich alle begegnen und austauschen können und der Realität, in der dieser Austausch nicht alle einbezieht. Das ist zum Beispiel eine Kritik an der tu! Hambach, die sich allerdings in vielen Partizipationsformaten widerspiegelt. Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht unbedingt ein Schwerpunktthema, wie dieses Jahr Energie, geben muss. Möglicherweise kann es schon hilfreich sein, wenn wir das Gemeinschaftliche in den Fokus rücken. Zum Beispiel explizit dazu aufrufen, dass Programmbeiträge durch verschiedene Akteure zusammen gestaltet werden sollten. Beispielsweise ein Workshop, den wissenschaftliche Mitarbeitende mit Mitgliedern einer lokalen Initiative und Schüler:innen konzipieren und anbieten. Das voneinander Lernen sollte im Vordergrund stehen. Atmosphärisch ist es wichtig, dass die tu! Hambach zum Verweilen einlädt. Da können wir aus den vergangenen Jahren viel lernen. Und persönlich finde ist es eine große Chance, dass die tu! ein experimentelles Format ist, denn dadurch gibt es eine grundlegende Offenheit, auch mal etwas auszuprobieren oder über institutionelle Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Das sollte jedes Jahr im Mittelpunkt stehen.