Heimat ist für mich dort, wo die Menschen sind, die mir wichtig sind – weniger ein fester Ort als ein Gefühl, das mit Erinnerungen und Erlebnissen verbunden ist. Auch wenn ich nicht direkt von einer Umsiedlung betroffen war, hat sich meine Perspektive auf Heimat im Laufe der Jahre verändert. Als Historikerin fasziniert mich besonders die Frage, wie sich Heimat verändert und wie Menschen damit umgehen. Die aktuelle Ausstellung greift das auf: „bedrohte Heimat“ im Kontext von Krieg, Wiederaufbau und den gesellschaftlichen Umbrüchen danach. Ein Thema mit vielen Parallelen zur Gegenwart.
Ich liebe die Fülle an Geschichte, die hier förmlich vor der Haustür liegt – von römischen Spuren in der Eifel bis zu mittelalterlichen Burgen, Altstädten und den zahlreichen Schlossanlagen. Das macht die Region für mich unglaublich lebendig. Der Strukturwandel hat meinen Blick auf Heimat geschärft: Er zeigt, wie verletzlich Orte sein können – aber auch, wie viel Potenzial im Wandel steckt.
Die Liebe zur Geschichte begleitet mich schon lange. Nach einem Abstecher in die Museumspädagogik bin ich 2018 zur Gemeinde Merzenich gekommen und 2021 ins Archiv gewechselt – ein Ort, an dem ich täglich entdecke, wie Geschichte die Gegenwart prägt. Als Projektleiterin von „800 Jahre Merzenich“ war mein erster Schritt: Prüfen, ob das Jubiläumsdatum überhaupt stimmt. Denn viele Städte feiern auf falscher Quellenbasis. Umso schöner war es, den Nachweis von 1225 bestätigen zu können. Damals wechselte Merzenich durch eine Pfandverschiebung zwischen dem Grafen von Neuenahr und dem Herzog von Jülich den Besitzer.
Besonders wichtig ist mir, Geschichte für Menschen erfahrbar zu machen – mit Führungen, Vorträgen, Kindermitmachaktionen wie einer Dorfschnitzeljagd oder Schulprojekte mit Zeitzeugen. Geschichte gehört nicht ins Regal, sondern mitten ins Leben. Das zeigen auch besondere Archivstücke, die mich berühren. Etwa die Umbettungsprotokolle aus dem ehemaligen Kriegsgefangenenlager Arnoldsweiler. Für jede einzelne Person gibt es ein Dokument, das den Menschen, die ausgelöscht werden sollten, ihre Identität zurückgibt. Oder eine Fotografie von 1935, die Gottesdienstbesucher nach dem Kirchgang zeigt. Ein Moment aus dem Alltag einer fast vergessenen Welt. Diese Archivalien geben der Vergangenheit ein Gesicht.