Stimmen aus dem Neuland: Gregor Eßer

Stimme aus dem Neuland Gregor Eßer

Gregor Eßer leitet die Forschungsstelle Rekultivierung im Schloss Paffendorf. Der Geograf und Biologe ist verantwortlich für die RWE-Biodiversitätsstrategie und das Pilotprojekt zur Ganzjahresbeweidung auf der Sophienhöhe. Auf einem rund 25 Hektar großen Areal leben aktuell sieben Koniks. Im Interview spricht er über das Projekt und zieht nach dem ersten Sommer auf der Goldenen Aue eine Zwischenbilanz.

 

Wildpferde auf der Sophinehöhe

Seit rund zwei Monaten lebt im Rahmen eines Beweidungsprojekts eine Herde Koniks auf der Goldenen Aue. Wie kam es dazu? Die Idee zur Beweidung mit großen Pflanzenfressern entstand, weil wir uns Gedanken gemacht haben, wie wir im Rahmen der RWE-Biodiversitätsstrategie die Artenvielfalt auf der Sophienhöhe noch weiter erhöhen können. Gleichzeitig wollen wir eine nachhaltige Entwicklung ökologisch wertvoller und für den Menschen besonders attraktiver Landschaften wie das Höller Horn und die Goldene Aue erreichen. In Naturlandschaften übernehmen Großherbivoren wie Wildpferde oft die Rolle der Biotoppflege. Sie verhindern eine vollständige Verbuschung und schaffen durch ihr Fressverhalten und ihre Bewegungen eine abwechslungsreiche Landschaft aus kurzgehaltenen Grasflächen, Hochstaudenfluren und offenen Rohböden. Ein weiterer entscheidender Moment war ein Besuch in der Maasaue, bei dem wir erstmals Kontakt zur Stiftung Free Nature aufgenommen haben, die uns jetzt als Projektpartner unterstützt. 

Was ist das wichtigste Ziel dieses Projekts? Unser Hauptziel ist die Förderung der Artenvielfalt durch Ganzjahresbeweidung. Wildpferde sind hervorragende Landschaftspfleger. Sie schaffen Freiflächen in verschiedenen Vegetationsstufen, die als Keimzelle für neue Pflanzenarten dienen. Diese wiederum bieten Lebensraum und Nahrung für Vögel, Fledermäuse und viele andere Tiere. Ohne die Beweidung würde die Goldene Aue allmählich verbuschen und letztlich zu Wald werden – was die Artenvielfalt hier verringern würde. Durch ihre Huftritte entstehen beispielsweise kleine Pfützen, die der ideale Lebensraum für Amphibien wie die Gelbbauchunke oder Wechselkröte sind. Diese sogenannten Pionierarten ziehen wiederum andere Arten an. Auch der Dung der Tiere wirkt sich positiv auf die Biodiversität aus und lockt viele Laufkäfer und Schwebfliegen, aber auch andere koprophage Arten. Und natürlich wollen wir mit dem Projekt auch den Menschen die Natur und den Schutz dieser wertvollen Lebensräume näherbringen. Unsere Arbeit ist immer auch ein Stück Bildungsarbeit. 

Wie bewerten Sie Ihre bisherigen Erfahrungen? Nach dem ersten Sommer auf der Sophienhöhe ziehen wir eine durchweg positive Bilanz. Unser Team ist täglich vor Ort und überwacht das Wohl der Tiere, denen es sichtlich gut geht. Die Koniks sind vital und zeigen ein absolut artgerechtes Verhalten. Auch die Geburt von zwei Fohlen, die sich prächtig entwickeln, ist ein weiteres gutes Zeichen. Bedenken, dass die Tiere eventuell die Zäune durchbrechen könnten, haben sich nicht bewahrheitet. Sie sind entspannt und ausgeglichen, genauso wie die meisten Besucherinnen und Besucher, die sich an die Regeln im Umgang mit den Tieren halten.

 

 

 

Besuchergruppe auf der Goldenen Aue

Wie reagieren die Besucherinnen und Besucher auf die Koniks? Die Pferde auf der Goldenen Aue haben schnell die Herzen der Menschen erobert und sind ein echter Besuchermagnet. Das zeigt auch das überwältigende Interesse an unseren Exkursionen: In einer Woche hatten wir über 800 Anmeldungen. Mit diesem Angebot wollen wir vermitteln, dass Koniks Wildpferde sind und sich anders verhalten als Pferde im Reitstall. Koniks stammen von den Tarpanen ab, einer ausgestorbenen Wildpferdart. Sie sind nicht scheu und lassen sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Seit Juli haben wir mehr als 20 Exkursionen durchgeführt und sehen, wie entspannt die Tiere auf die Besucher reagieren. Gleichzeitig nutzen wir diese Gelegenheit, um für Naturschutz zu sensibilisieren und immer wieder auf den richtigen Umgang mit den Pferden hinzuweisen. 

Wie verhält man sich korrekt gegenüber den Wildpferden? Das ist im Grunde ganz einfach: Hunde sollten angeleint bleiben – weniger wegen der Pferde, sondern aus Sorge um die Hunde. Die Tiere sollten nicht gefüttert oder gestreichelt werden, auch wenn sie nicht scheu sind. Wichtig ist, auf den Wegen zu bleiben und mindestens 25 Meter Abstand zu halten. Wir haben hier keinen Streichelzoo, sondern Wildpferde in ihrem natürlichen Lebensraum. 

Wie wird das Projekt überwacht? Die Forschungsstelle Rekultivierung führt in Zusammenarbeit mit den Biologischen Stationen und Fachleuten ein umfassendes Monitoring durch, das von Naturschutzverbänden wie BUND und NABU sowie dem LANUV begleitet und unterstützt wird. Wir zählen und kategorisieren Vögel, Amphibien, Wildbienen, Vegetation und Schmetterlinge. Besonders interessant sind koprophage Arten wie Laufkäfer und Schwebfliegen, da sie wichtige Indikatoren für den Erfolg des Projekts sind. 

Einmal täglich wird die Herde kontrolliert, und ein Veterinär begleitet das Projekt. Die Tiere sind gut versorgt und zeigen bisher keine Probleme. Es gab lediglich eine Stute, die sich kurzzeitig vertreten hatte, was jedoch schnell wieder in Ordnung war. Hufpflege ist bei den Koniks im Gegensatz zu Reitpferden nicht notwendig. Bei Bedarf kann aber auch in diesem Fall nachgesteuert werden. Das Tierwohl ist in unserem Projekt sehr wichtig. 

Wie soll sich das Beweidungsprojekt in Zukunft entwickeln? Langfristig soll die Beweidungsfläche auf 500 Hektar wachsen, was im Rahmen­plan Hambach und im Braunkohlen­plan bereits verzeichnet ist. Neue Bereiche der Sophienhöhe in Richtung Ta­ge­bau­see sowie eine kleine Waldfläche sollen hinzukommen. Beweidung kann dort lichtere Waldstrukturen schaffen, die für viele Arten wichtig sind. Zudem könnten wir in Zusammenarbeit mit Bio-Landwirten Rinder oder Wasserbüffel ansiedeln. Im NEULAND HAMBACH würde damit das größte Beweidungsprojekt in Nordrhein-Westfalen entstehen an dem die ganze Region partizipieren kann.