Hintergrund­gespräch: Klimawandel und Rheinwasser­entnahme

Zeichnerische Festlegung Vorentwurf Braunkohlen­plan Hambach

Mit einer Fläche von rund 35 km2 wird der Hambach See einer der größten Seen Deutschlands. Für seine Befüllung ist die Entnahme von Rheinwasser über die Rheinwasser­transport­leitung vorgesehen. Ein Gutachten des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) hat die Auswirkungen des Klimawandels auf die Rheinwasser­entnahme untersucht.

In einem Hintergrund­gespräch stellt Dorothee Levacher (Fachbereich: Grundwasser, Wasserversorgung, Trinkwasser, Lagerstättenabbau) die Untersuchungsergebnisse vor:

 

Frau Levacher, warum hat das LANUV diese Untersuchung gemacht?

Die Leitent­scheidung aus dem Jahr 2021 sieht vor, dass die Auswirkungen des Klimawandels und der Trockenheit der vergangenen Jahre auf die Entnahmemöglichkeit von Rheinwasser für die Ta­ge­bau­seebefüllung untersucht werden sollen. Die ausreichende Verfügbarkeit von Rheinwasser und ein schnelles Ansteigen des Wasserspiegels sind entscheidend für die Entstehung der Ta­ge­bau­seen. So übt das Wasser ausreichend Druck auf die Böschungsbereiche aus und hält sie stabil, allein mit Grundwasser würde die Befüllung zudem mehr als 100 Jahre dauern. Im Rahmen des Monitorings für die Tagebaue Garzweiler und Hambach haben wir deshalb mögliche Folgen des Klimawandels auf die Rheinwasser­entnahme untersucht. Die Ergebnisse wurden im Braunkohlenausschuss vorgestellt.

 

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Unser Ziel war es, die Bandbreite möglicher klimatischer Veränderungen zu betrachten und mit Zeiträumen aus der Vergangenheit zu vergleichen. Dafür haben wir historische Daten und Berechnungen der Bundesanstalt für Gewässerkunde aus dem Jahr 2023 ausgewertet. Für den Rheinpegel Düsseldorf wurden hieraus für verschiedene Klimaszenarien prognostizierte Wasserstände für den Rhein verwendet. Mit diesen Daten haben wir auf Grundlage des abgestimmten Entnahmekonzeptes die Wassermenge ermittelt, die dem Rhein zukünftig schätzungsweise pro Jahr für die Füllung der Ta­ge­bau­seen und die Stützung von Feuchtgebieten entnommen werden kann.

 

Können Sie das Entnahmekonzept näher beschreiben?

Das mit der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt abgestimmte Entnahmekonzept orientiert sich am Wasserstand des Rheins. Es sieht vor, dass ihm nur so viel Wasser entnommen wird, dass die Schifffahrt zu keiner Zeit beeinträchtigt ist. Dabei wird aber die für die Versorgung von Feuchtgebieten benötigte Wassermenge aus dem Rhein (1,8 m3 pro Sekunde) jederzeit sichergestellt. Die Befüllung der Ta­ge­bau­seen wird abhängig vom definierten gleichwertigen Wasserstand (GlW) am Pegel Düsseldorf, bei dem die Solltiefe der Fahrrinne für die Schifffahrt noch garantiert ist, erfolgen. Ab diesem Pegelstand können 5 m3 pro Sekunde entnommen werden. Je höher der Wasserstand ist, desto mehr Wasser kann dem Rhein nach diesem gestaffelten Entnahmekonzept entnommen werden. Ab einem Wasserstand von GIW +211 cm kann die Rheinwasser­transport­leitung mit maximaler Auslastung von 18 m3 pro Sekunde laufen.

 

Inwieweit fließen Klimamodelle in Ihre Berechnungen ein?

Um mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Entnahmemenge zu berücksichtigen, haben wir aus der oben genannten Studie drei Klimaszenarien ausgewertet: RCP2.6 mit drastischen Klimaschutzmaßnahmen, ein mittleres Szenario (PCP4.5) und das Szenario RCP8.5 mit ungebremstem Emissionsanstieg. Für jedes dieser Szenarien haben wir die möglichen Entnahmen für drei Vorhersagezeiträume ermittelt: Die nahe Zukunft 2031 bis 2060, die mittlere Zukunft 2051 bis 2080 und den Zeitraum 2070 bis 2099.

 

Wie viel Wasser kann dem Rhein danach für die Ta­ge­bau­seen entnommen werden?

Unsere Auswertungen zeigen, dass im Referenzeitraum 1971 bis 2000 rund 339 Mio. m3 Rheinwasser zur Verfügung gestanden hätten. Im Vergleich dazu wäre zwischen 2011 und 2020 aufgrund der Trockenheit dieser Jahre, durch die die Wasserstände im Rhein niedriger waren, eine jährliche Entnahme von 320 Mio. m3 möglich gewesen – also rund 6 Prozent weniger. Für die Zukunft liegen die jährlichen Entnahmemengen voraussichtlich zwischen 302 Mio. und 380 Mio. m3. Wir haben, wie vom Umweltbundesamt empfohlen, das „worst case“-Klimaszenario RCP8.5 betrachtet. Hier zeigt sich, dass sich die prognostizierten Entnahmemengen in allen untersuchten Zeiträumen gegenüber dem Bezugszeitraum vermutlich um -12 bis +7 Prozent verändern. Für den für die Befüllung der Ta­ge­bau­seen maßgeblichen Zeitraum 2031 bis 2060 weichen die prognostizierten Entnahmemengen um -2 bis +6 Prozent ab.

Der Grund für die eher geringen Unterschiede in den für die Klimaszenarien berechneten Entnahmemengen ist, dass für die Befüllung der Ta­ge­bau­seen vor allem die Entnahmen im eher höheren Wasserstandbereich (GIW + 211 cm) entscheidend sind. Obwohl man nach heutigem Stand davon ausgehen kann, dass die Anzahl der Tage, an denen nur wenig Wasser aus dem Rhein entnommen werden kann, zunimmt, zeigen die Ergebnisse gleichzeitig eine größere Anzahl von Tagen mit maximaler Entnahmemöglichkeit. Dies ist vor allem auf größere Regenmengen in den Wintermonaten zurückzuführen. Die Gesamtmenge ist dadurch ähnlich hoch wie im Bezugszeitraum, da die Mengen im Bereich hoher Wasserstände die Verluste im Bereich mittlerer und niedriger Wasserstände ausgleichen.

 

Was bedeutet das für die Befüllung der Ta­ge­bau­seen?

In Berechnungen mit Grundwassermodellen sind für die Befüllung der Ta­ge­bau­seen mittlere Verhältnisse aus der Vergangenheit berücksichtigt worden. Unter dieser Vorgabe lässt sich abschätzen, dass zum Beispiel der Ta­ge­bau­see Hambach in etwa 40 Jahren gefüllt werden kann. Unsere Auswertungen haben ergeben, dass aus heutiger Sicht die Rheinwassermenge für die Ta­ge­bau­seebefüllung innerhalb von 40 Jahren auch unter Berücksichtigung der aktuellen Klimaszenarien ausreicht. Für den Fall, dass sich die Entnahmemöglichkeit verkleinert, würde die Befüllung der Seen wenige Jahre länger dauern. In den letzten trockenen Jahren 1993 bis 2022 wäre die Entnahmemenge bereits kleiner als die niedrigsten Prognosen gewesen. Wir können nicht ausschließen, dass sich diese Entwicklung möglicherweise fortsetzt. Daher ist es wichtig, die Entwicklung zu beobachten und Aussagen sowie Schlussfolgerungen gegebenenfalls anzupassen.

Hintergrund LANUV

Dorothee Levacher beschäftigt sich im LANUV mit den Auswirkungen des Lagerstättenabbaus, Braunkohle-Monitoring und Grundwassermodellen im Rheinischen Braunkohlerevier und ist beratendes Mitglied im Braunkohlenausschuss. Seit 2020 begleitet sie das Monitoring für den Tagebau Hambach.

Die vorgestellten Ergebnisse gehen auf die Untersuchungsergebnisse von Fleischer und Nilson (2023 „Projizierte Änderungen des Wasserdargebotes am Pegel Düsseldorf – Kurzbericht Restseeflutung, Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz) zurück und wurden von der AG Restsee im Dezember im Braunkohlenausschuss vorgestellt.