Stimmen aus dem Neuland: Inga Dohmes

Inga Dohmes Ortsvorsteherin von Morschenich-Alt und Morschenich-Neu

Das Rheinische Revier ist voller Geschichten von Menschen, die ihr Zuhause verloren und ein neues gefunden haben. So wie Inga Dohmes, 50 Jahre, aus Morschenich-Alt. Wie die meisten früheren Bewohner:innen ist sie nach Morschenich-Neu umgesiedelt. Als Ortsvorsteherin der beiden Morschenichs engagiert sie sich heute für den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft und hat ein offenes Ohr für die großen und kleinen Sorgen der Menschen. 

Ich bin in Morschenich-Alt geboren, der Tagebau begleitet mich also schon mein ganzes Leben. Seit ich denken kann, wurde bei uns im Ort viel über das Thema Umsiedlung diskutiert. Im Jahr 2017 bin ich dann mit meinem Mann und den drei Kindern nach Morschenich-Neu gezogen. Mein Heimatort ist für mich mit vielen Erinnerungen und Emotionen verbunden. Hier stehen noch immer mein Elternhaus und das Haus, in dem wir als Familie 22 Jahre lang gelebt haben.

Inzwischen ist der Ort Morschenich meine Heimat, Alt genauso wie Neu. Einen Moment werde ich nie vergessen: Das letzte Schützenfest im alten Ort im Juni 2017. Nach dem großen Zapfenstreich ist die Dorfgemeinschaft mit Bussen nach Morschenich-Neu gefahren. Die Fahnen der Bruderschaft wurden zu Fuß durch den Wald ins neue Dorf getragen und dort mit großem Beifall empfangen. Das war ein besonderes Erlebnis und steht für mich für den Neuanfang in der neuen Heimat.

Ich richte den Blick nach vorn, in eine Zeit nach dem Tagebau. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass im Rheinischen Revier nach Lützerath keine Dörfer mehr abgebaggert werden. Der Verlust der Heimat ist für die Umgesiedelten oft eine lebenslange emotionale Belastung. Auch wenn die neuen Orte sich wandeln und früher oder später eine neue Identität entwickeln, geht doch vieles für immer verloren. Dass der Ort Morschenich-Alt nun doch weitestgehend erhalten bleibt, sehe ich wie viele andere der rund 500 Umgesiedelten aber mit gemischten Gefühlen.

Für die Gemeinde Merzenich und kommende Generationen bietet der Erhalt der Ortschaft eine große Chance. Besonders spannend finde ich den Plan, Morschenich-Alt oder Bürgewald, wie es heißen soll, als eine Art Aushängeschild für den frühzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle zu einem „Ort der Zukunft“ und einer Modellregion für Bioökonomie zu entwickeln. Schon heute betreibt das Forschungszentrum Jülich hier die erste Agri-PV Anlage im Rheinischen Revier ­­- weitere Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen werden hoffentlich bald folgen.